Gibt es eine Opferpflicht?

Gibt es eine Opferpflicht?

Gibt es eine Opfer-Pflicht? Natürlich wollen wir alle zu den Guten gehören! Sind Sie auch so erzogen, dass Sie bereit sein müssen, Opfer zu bringen? Fühlen Sie sich verpflichtet, Ihr "letztes Hemd" für die (unverschuldet!) in Not Geratenen zu geben?

Klar, als erwachsener Mensch...

…haben Sie irgendwann über diese Frage genauer nachgedacht und sich eine Meinung gebildet. Ein wichtiger Aspekt jeder Antwort war dabei sicherlich auch die Frage, wem Ihre “Opfergabe” nützt. Und wozu es für Sie und die jeweiligen Empfänger Ihrer Gaben in der Zukunft führt, dass Sie ein Opfer bringen. Am ehrenvollsten, wenn auch nicht am beliebtesten, sind Hilfen zur Selbsthilfe. Denn genau genommen wünschen sich die Empfänger von Opfergaben eher, dass Sie mit Ihrem Opfer ein Problem endgültig, ein für alle Mal, lösen. Das Problem gibt es ja gerade deshalb, weil man es selbst nicht lösen konnte.
Wirklich? Vielleicht wollte man nur selbst ein kleineres oder gar kein Opfer bringen? Vielleicht war die eigene Lösung nur nicht einfach genug umzusetzen, war die Motivation, ein Problem mit eigenem Einsatz zu lösen, nicht stark genug? Oder man hatte nicht ausreichend Knowhow? Es kann viele Gründe geben, warum bisher noch keine Lösung gefunden wurde. Es geht auch gar nicht darum, ob es moralisch legitim ist, um Hilfe zu bitten. Natürlich ist es nicht nur legitim, sondern sogar vernünftig, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und diese auch gemeinsam umzusetzen.
Die tiefer gehende Frage ist aber: Wer darf von anderen Aufopferung fordern? Denn natürlich gibt es einen großen Unterschied zwischen der Kooperation zur Erreichung gemeinsamer Ziele durch gemeinsamen Einsatz und dem Opferbringen für fremde Ziele. Es geht um den Sinn von Opferung! Um das bewusste Erdulden von Einschränkung, Verlust, Leid oder gar Tod für die Gewissheit, etwas nach dem Willen von Anderen zu tun.

Fangen wir klein an:

Wie oft opfern Sie freiwillig etwas von Ihrer eigenen Lebenszeit, um den persönlichen Plänen anderer entgegen zu kommen? Ich denke hierbei nicht nur an die Verlagerung von Arbeit in die Freizeit oder die Mehrarbeit für andere, sondern auch an das Ausbügeln vermeidbarer Fehler, die Nachbearbeitung fehlgeleiteter Prozesse, die Zeitverluste durch Planungsfehler und so weiter. Sie können diese Liste gewiss mit eigenen Beispielen ergänzen. Natürlich lassen Sie sich zu solchen Opfern nicht einfach hinreißen, dafür muss es schon triftige Gründe geben. Sie tun dies auch nicht einfach nur so, es muss Ihnen schon sinnvoll erscheinen. Aber welchen Sinn geben Sie selbst diesen Zeit- und Kraftopfern? Wie oft erscheint es Ihnen sinnLOS, dass man Ihre Zeit, Ihre Energie, Ihre Opferbereitschaft in Anspruch nimmt? Und warum opfern Sie (sich) dennoch?

Verstehen Sie mich bitte richtig:

Ich halte es nicht für falsch, sich für das gemeinsame Erreichen von Zielen einzusetzen. Auch ungleiche Anteile an diesem Einsatz können sinnvoll sein. Aber was ist mit dem Einsatz für fremde Ziele, der nicht höflich erbeten, sondern nachdrücklich eingefordert wird? Wie leicht neigen Sie zur freiwilligen Selbstausbeutung, nur weil das von Ihnen erwartet wird und (Achtung, das gehört wirklich zusammen) weil Sie glauben, das wäre ANSTÄNDIG von Ihnen?
Wenn Sie jetzt noch nicht ins Grübeln gekommen sind, dann denken Sie bitte weiter! Denken Sie an die größeren, schwerer wiegenden Opfer, die von Ihnen und leider immer wieder von uns allen eingefordert werden. Es geht um Opfer, deren Sinn eben nicht die Hilfe zur Selbsthilfe ist, sondern allein die Erfüllung fremder Wünsche und Ziele. Prüfen Sie tatsächlich jedes Mal, ob diese Opfer und deren Folgen noch mit Ihren Werten übereinstimmen, ob sie anständig handeln? Oder denken Sie eher darüber nach, welches Risiko damit verbunden ist und welche Folgen es für Sie haben könnte, wenn Sie diese Opfer nicht bringen?
Ich bin gespannt, was Ihnen durch den Kopf geht, wenn Sie das nächste Mal aufgefordert werden, Opfer zu bringen. Wenn Ihnen gesagt wird, dass “man auch mal Opfer bringen muss”. Oder wenn Sie sich dabei ertappen, sich selbst zum Opfer zu machen, weil Sie es für Ihre Pflicht halten. Möchten Sie mit mir darüber reden? Ich freue mich auf jede Meinung, auch auf Ihre!

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
Pinterest

Auch interessant

Last Generation oder Act of Humanity?

Last Generation oder Act of Humanity?

Wenn Menschen sich selbst führen, statt andere zu steuern und zu lenken, kann es besser werden. Was der Unterschied ist? Der Wettbewerb! Solange wir dem Irrglauben folgen, dass Menschen kämpfen müssen, um das Gute zu erreichen, wird es keinen wirklich humanen Fortschritt geben. Egal, ob mit Protest- und Widerstands-Aktionen oder mit Hass- und Fake-Kommunikation, ob mit Sanktionen oder mit Kriegen, der ewige Wettbewerb um die Macht macht uns alle zu Verlierern.

Weiterlesen »
Scheitern als Heldentat?

Scheitern als Heldentat?

Scheitern als Heldentat?
Ich gebe es zu: Kämpfen liegt mir nicht! Immer, wenn es irgendwo einen Kampf gibt, regt sich mein innerer Widerstand. Nicht nur, weil ich überzeugt bin, dass es für jedes Problem mehrere mögliche Lösungen gibt und einige davon ganz ohne Kampf auskommen.

Weiterlesen »

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.