Die Machtmissbrauchsfalle Teil 3 Dr. Karin Rasmussen

Die Machtmissbrauchsfalle Teil3

Mit Machtmissbrauch umzugehen, erfordert zwei spezifische Strategien: Eine, um Machtmissbrauch vorausschauend und wirkungsvoll zu verhindern und eine zweite, um tatsächliche Vorfälle von Machtmissbrauch zu verarbeiten.

Wer als Führungskraft in seinem eigenen Wirkungskreis die Verantwortung für das Verhindern von Machtmissbrauch übernimmt...

…denkt eher über Vermeidung und Vorbeugung als über Bestrafung nach. Wer mit realem Machtmissbrauch konfrontiert ist, kann entweder unmittelbar betroffen sein, oder verantwortlich für administrative, organisatorische oder/und juristische Reaktionen. Dann gilt es, Schaden zu begrenzen, Verstöße zu ahnden und Wiedergutmachung zu ermöglichen.

In jedem Fall gibt es mehr Fragen als Antworten, wenn das Phänomen Machtmissbrauch ein Tabuthema ist. Denn Stillschweigen erleichtert den Missbrauch. Und es schadet, ebenso wie der Missbrauch selbst, nicht nur den unmittelbar Beteiligten. Die Folgen von Machtmissbrauch können ebenso weitreichend und langfristig sein, wie die Schäden, die durch kriminelle Handlungen entstehen. Allerdings sind diese Folgen weitaus schwieriger zu erfassen und zu beschreiben, je weniger Aufmerksamkeit dem Machtmissbrauch geschenkt wird. Deshalb lassen Sie uns genauer hinsehen und offen darüber reden!

Führungskräfte stehen in allen Branchen und allen Organisationsformen unter enormem Erwartungsdruck.

Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass „Chef“ nur besondere Persönlichkeiten werden sollten – klüger, anständiger, weitsichtiger, verantwortungsbewusster, gerechter, ausdauernder, leistungsfähiger, einsatzbereiter usw. als sogenannte einfache Mitarbeiter.

Natürlich dürfen auch Chefs hin und wieder Fehler machen. Und selbstverständlich müssen sie gelegentlich unpopuläre Entscheidungen treffen, die für manchen mit echten Nachteilen verbunden sind. Natürlich ist auch ein Compliance Management System (CMS) durchaus kein starres, unveränderliches Gebilde, aus dem man auf gar keinen Fall ausbrechen darf. Manche Regel muss einfach auch an neue Bedingungen angepasst werden. Und manchmal geschieht das im Verhalten schneller als auf dem Papier, so dass ein Regelverstoß nicht immer Schaden anrichtet. Im Gegenteil: von Führungskräften wird sogar erwartet, dass sie auch Grenzen überschreiten und ihren Entscheidungsspielraum nutzen. Mit agilen Führungssystemen wird dieser Spielraum sogar noch größer, obwohl oder weil gerade dabei immer mehr Beteiligte mitreden und mitentscheiden können.

Doch bei Machtmissbrauch geht es um Schlimmeres als um einfache Regelverstöße.

Es geht genau um diesen Zusammenhang: sich selbst Nutzen oder Vorteile zu verschaffen UND damit anderen zu schaden. Das betrifft immer mehr als zwei Beteiligte. Denn die Ausnutzung einer Machtposition führt nicht nur bei den “Opfern” zu direkten Nachteilen, sondern zieht weitere Kreise. Im Nachhinein haben es viele gewusst, hinter vorgehaltener Hand wurde schon lange darüber geredet, selbst bei entfernteren Bekannten und sogar in den Medien hatte die machtmissbrauchende Person “einen Ruf“ – aber niemand hat dem Treiben Einhalt geboten. Tatsache ist, dass hier ein Muster erkennbar ist. Es war schon lange kein Geheimnis mehr. Es funktionierte auch nur, weil es Mitwisser gab. Und Mitwisser werden zu Mittätern, wenn sie wider besseres Wissen nicht eingreifen.

Doch einzugreifen kann gefährlich sein. Und genau dies ist die Machtmissbrauchs-Falle! Denn

– Einerseits weiß man es nicht genau und geredet wird ja viel – also hat man vorläufig gar keinen Grund, etwas zu unternehmen. Häufen sich aber die Anzeichen, Hinweise oder gar Klagen, dann muss man erst einmal genauer hinschauen/hinhören/aufpassen. Und das vor allem möglichst unauffällig und diskret. Es könnte sich ja vielleicht auch nur um üble Nachrede handeln.

– Man würde schon gern helfen, weiß aber noch gar nicht, wie. Zunächst braucht man konkrete Beweise. Diese mögen aber bitte die „Opfer“ erbringen – denn die wissen es am besten. Und vielleicht können sie sich auch selbst am besten helfen, denn irgendwie haben sie zu ihrer misslichen Lage doch selbst beigetragen?

– Gleichzeitig wird man sich einer scheinbaren eigenen Machtlosigkeit bewusst. Welchen Weg könnte man gehen, um zu helfen – oder um Schlimmerem, nämlich der Ausdehnung des Machtmissbrauchs – entgegenzuwirken? Welche Instrumente stehen zur Verfügung und wen könnte man als Verbündeten gewinnen?

– Aber: die ersten vertraulichen Informationen hat man doch aus Quellen, die für gewöhnlich ungenannt bleiben wollen. Wie kann man also vorgehen, ohne deren Vertrauen zu enttäuschen?

Also besser nichts tun? Oder:

  1. zur Vorbeugung und Vermeidung beitragen, indem über mögliche Ursachen, Bedingungen und Abläufe von Machtmissbrauchs- Vorgängen offen aufgeklärt wird

  2. die Machtkompetenz jedes Einzelnen stärken – ob Mitarbeitende oder Führungskräfte – indem das Thema, wie mit der Führungsmacht umzugehen ist, in betriebliche Weiterbildungskonzepte integriert wird

  3. bei der Verarbeitung und Überwindung von Folgen die unmittelbar Beteiligten und deren Teams mit der Begleitung durch Experten wie Coaches, Mentoren, Vertrauensräte unterstützen

  4. die Wiedergutmachung als Verpflichtung in die betriebliche Aufarbeitung von Machtmissbrauchs-Vorfällen einbeziehen.

Damit Machtmissbrauch immer schwieriger bis unmöglich wird, müssen und können Machtdifferenzen weiter verringert und zum Teil ganz aufgehoben werden. Kollektive Führungskonzepte, rollierende Entscheidungskompetenz und selbst organisierte Teams liefern dafür gute Beispiele. Die persönliche Macht-Kompetenz jedes einzelnen Menschen ist dafür allerdings eine erst noch zu schaffende Voraussetzung!

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