Der Umgang mit Macht - Dr. Karin Rasmussen

MOBBING HEISST FÜHRUNGSKLIMA 0°

Guten Tag liebe Leserin, lieber Leser!

Kennen Sie Mobbing in einem Team? Haben Sie Kolleginnen und Kollegen, die Sie häufig treffen, mit denen Sie Sich abstimmen müssen, gemeinsames Vorgehen besprechen, Erfahrungen austauschen wollen? Dann kennen Sie die Wirkung von gutem oder schlechtem Teamklima auf Ihre Leistung.

Und wenn Sie eine Führungsaufgabe haben, dann wissen Sie es noch besser: Man kann ein Team nicht zum Erfolg führen, wenn im Team dauerhaft schlechte Stimmung herrscht. Die Kollegen sind dann mehr mit sich und ihren gestörten Beziehungen als mit ihren Arbeitsaufgaben beschäftigt. Gemeinsame Ziele scheint es nicht zu geben. Irgendwie wird jeder zum über-kritischen Kontrolleur der anderen. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und mehrfach gewendet, um den Unwahrheits-Gehalt zu bestimmen. Jeder Gesichtsausdruck wird auf seinen Anteil an Ablehnung geprüft. Und jedes Gespräch wird misstrauisch als Versuch einer Intrige gedeutet. Statt Arbeitsklima herrscht Psychoterror. Schlimm, ganz schlimm – Mobbing eben!

Zuerst hoffen natürlich die Opfer des Mobbings auf Hilfe „von oben“. Doch auch den mobbenden Mitarbeitern wird es bald zu viel. Wenn die meisten davon genug haben, weil sie merken, dass es ihnen selbst gar nicht gut tut – dann ändern sie nicht etwa ihr Verhalten, sondern erwarten eine Lösung von außen. Dann „muss Chef ran“, um Ordnung zu schaffen und zu schlichten. Und zwar nicht irgendwie! Sondern jetzt wird erwartet, dass Chef oder Chefin stellvertretend für die eigene Meinung den vermeintlich Schuldigen ihre Grenzen zeigt. Ganz im Ernst: in meinen Führungsseminaren wird mir das immer wieder als Aufgabe einer Führungskraft dargestellt! Als Chef hat man – so die weit verbreitete Meinung – für gutes Teamklima zu sorgen, indem man in die Rolle eines Schiedsrichters schlüpft und im Namen des einzelnen Mitarbeiters dessen Kritik an anderen Kollegen auf Gerechtigkeit und Richtigkeit prüft. Und dann mit der ganzen Autorität des Vorgesetzten … bestätigt!

Wird das Klima dadurch besser, lässt sich Mobbing so beenden?

Ich frage das immer wieder, denn Gerechtigkeit scheint sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitern ein hoher Wert zu sein. Und die Verletzung dieses Wertes durch andere – also Ungerechtigkeit – bildet scheinbar eine der Hauptursachen für schlechtes Teamklima bis hin zum Mobbing. Besonders, wenn es um „gefühlt ungerechte“ Kritik geht.

Nicht nur eine meiner Klientinnen wird immer wieder damit konfrontiert, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich bei ihr über die Fehler und das Verhalten anderer Kollegen beklagen. Als Führungskraft hat sie natürlich ein offenes Ohr für die Sorgen und den Ärger ihrer Mitarbeiter – andererseits hält sie jeden einzelnen für mündig genug, diese Themen selbst im direkten Gespräch oder im Team zu klären. Mit einem Wort: Sie ärgert sich immer wieder, wenn versucht wird, ihr die Schiedsrichter-Rolle zuzuschieben. Allerdings weiß sie auch genau, dass es ihr häufig als Versagen ausgelegt wird, wenn sie diese Rolle ablehnt. Da sie ja „die Macht hat“, ein „Machtwort“ sprechen könnte – also keinen Widerspruch zu befürchten hat – wäre es doch eine ganz einfache Lösung für alle, wenn sie sagen würde, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Besonders dann, wenn die Kritik sich wiederholt gegen die gleichen Kollegen richtet und das gleiche Verhalten betrifft.

Mal ehrlich, liebe Leserin, lieber Leser: denken Sie ähnlich? Meinen Sie auch, dass Chefs eben Position beziehen müssen um mit „klaren Ansagen“ solche Klimastörungen zu beseitigen? Glauben Sie, dass  Führungskräfte Fehler oder Fehlverhalten benennen und gegebenenfalls auch bestrafen müssen?

Ich denke, genau diese Erwartung ist ein Grund dafür, dass viele Beschäftigte sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Denn wenn sich Chefs tatsächlich in die Schiedsrichter-Rolle begeben, steht natürlich die Kritik im Vordergrund. Dann wird jeder Fehler zum Regelverstoß und muss nicht nur gesehen, sondern auch geahndet werden! Und wenn wir ehrlich sind, dann hat jede Mitarbeiter- Beurteilung etwas von dieser Schiedsrichteraufgabe. Da wird gemessen und bewertet, wer die wenigsten und wer die meisten oder sogar die schlimmsten Fehler macht. Und dann nehmen Teams eine eigene Schiedsrichter-Bewertung vor: Wenn Chefs die Fehler anders bewerten und behandeln, als Team sich das wünscht, dann bekommen Führungskräfte schlechte Noten. Dann meint man, einen „schwachen“ oder mindestens einen ungerechten Vorgesetzten zu haben. Vielleicht hält man ihn oder sie sogar für gänzlich unfähig.

Leider dringen diese Einschätzungen auch nach außen. Nicht nur im eigenen Team, auch gegenüber Mitarbeitern anderer Abteilungen, ja sogar gegenüber Kunden und Kooperationspartnern sind abfällige Äußerungen über den oder die eigenen Vorgesetzten ganz alltäglich. Ich weiß, wovon ich rede. Denn immer, wenn ich mich als Führungskräfte-Coach vorstelle, höre ich: „Oh ja, Sie müssten mal mit meinem Chef/meiner Chefin reden. Der/Die braucht ganz dringend Nachhilfe im Führungsverhalten.“ Dann folgen diverse Stories über skandalöse Fehler, die einer Führungskraft auf gar keinen Fall unterlaufen dürften. Und auch aus übergeordneten Führungsebenen höre ich ähnliches, ganz zu schweigen von den Berichten in manchen Medien. Irgendwie scheint jedermann in der Lage, die Führungsqualität von Chefs kritisch zu beurteilen. Gutes kommt dabei meist zu kurz oder es kommt gar nicht zur Sprache.

Wenn ich mich dann in den/die jeweils Kritisierten hinein versetze, möchte ich sie in erster Linie ermutigen. Denn ich bin überzeugt, dass auch Führungskräfte durchaus wissen, was sie tun. Und aus meiner mehr als 30-jährigen Erfahrung weiß ich, dass Menschen mit Führungsauftrag mehr an andere als an sich selber denken. Dass für Chefs die Erfolge des Teams wichtiger sind, als die eigenen und dass sie sehr genau wissen, wonach sie selbst beurteilt werden, steht für mich außer Frage. Und natürlich gehört zu einer Führungspersönlichkeit auch ein Mindestmaß an Resilienz (Widerstandskraft gegenüber psychischer Belastung). Aber: Auch Chefs haben ein Recht auf Gerechtigkeit, auf Wertschätzung und Anerkennung. Und sie haben ein Recht auf Fehler, auch wenn das manchem nicht passt.

Wenn Sie – liebe Leserin, lieber Leser – mal wieder zu Unrecht kritisiert werden, dann können Sie Sich ziemlich sicher sein: Ihr Urteil steht gegen das von anderen. Und wer hierbei „Recht hat“, sieht auch jeder anders, je nach den eigenen Maßstäben. Suchen Sie also nicht nach Hilfe bei einem Schiedsrichter, sondern nach Lösungen für das, was kritisiert wird. Und finden Sie Partner für diese Lösungen. Wenn Sie möchten, stehe auch ich Ihnen gern zur Verfügung. Nehmen Sie Kontakt zu mir auf und wir sprechen darüber. Und wenn Sie meinen, dass gerade Ihre Vorgesetzten Sie besonders ungerecht beurteilen, dann empfehle ich Ihnen ein Coaching. Das kann Ihnen helfen, wieder selbst die Führung zu übernehmen.

Aber falls Sie jetzt erst einmal Urlaub haben, dann erholen Sie Sich wirklich gut – denn die nächsten Führungsaufgaben werden nicht leichter.

Viel Spaß und alles Gute

Ihre Karin Rasmussen

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