Wer sagt denn, dass am letzten Tag eines jeden Jahres etwas zu Ende ist?
Dieses Datum scheint weltweit von besonderer Wichtigkeit, als wäre danach alles anders. Genau zu diesem Datum werden Bilanzen und Berichte erstellt, Feiern organisiert und Verträge beendet. Das Kalenderjahr erscheint sozusagen wie eine Rechenhilfe für die persönliche Lebensbilanz von Millionen Menschen. Wir machen uns bewusst, was wir im zurückliegenden Jahr erlebt und erreicht haben und stellen Vermutungen an, was uns im kommende Jahr erwartet. Dabei ist natürlich immer auch eine innere Zensur im Spiel: Wir betrachten und bewerten, was vorbei ist und was noch kommen könnte als gut, erfolgreich, angenehm, oder auch nicht. Selbstverständlich sind diese Bewertungen subjektiv und fast immer emotional. Und wahrscheinlich machen diese bei vielen Menschen nahezu gleichzeitig stattfindenden inneren Bewertungsprozesse das Datum so hervorstechend. Es entsteht eine besonders feierliche Stimmung, ein Gefühl von Höhepunkt. Denn natürlich fallen uns bei dieser Rück- und Vorausschau kaum Kleinigkeiten ein. Das Alltägliche, Glanzlose wird aus Mangel an Dramatik vernachlässigt, Erinnerungen werden sortiert, Erwartungen gefiltert, Erfolge werden gefeiert, Verluste betrauert, große bis übergroße neue Vorsätze gefasst. Und am nächsten (oder übernächsten) Tag folgt die Ernüchterung. Denn der erste All-Tag eines neuen Jahres hält selten gleich wieder neue Höhepunkte, Erfolge oder Feste bereit. Natürlich werden auch an diesen ersten Tagen eines “neuen” Jahres Kinder geboren, Verträge in Kraft gesetzt, neue Bilanzen eröffnet und so weiter – meistens ist es aber doch Alltag.
Nur: Alltag ist die allermeiste Zeit! Wir sollten den Alltag gerade zu solchen Höhepunkt-Terminen wie Silvester mehr würdigen, denn im Alltag schaffen wir die Summe unseres Lebens. Ich lade Sie, liebe Leserinnen und Leser, deshalb ein, sich heute einmal einen Ihrer ganz gewöhnlichen Tage in seinen Einzelheiten bewusst zu machen. Sie werden erstaunt sein, wie bedeutsam die “Kleinigkeiten” des Alltags für Ihre Höhepunkte sein können. Vielleicht werden Sie dann auch das neue Jahr als die Fortsetzung Ihres gewöhnlichen Lebens freudig begrüßen können. Als kleine Anregung, wie das aussehen könnte, erzähle ich Ihnen hier noch ein wenig aus meinem Alltag. Aber das können Sie auch ein anderes Mal lesen. Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen viele angenehme, glückliche, entspannte, ermutigende und bereichernde All-Tage!
Ihre Karin Rasmussen
Das war mein alltägliches Jahr 2022
Einladungen zu Offline-Events mit interessanten Menschen und spannenden Themen nehme ich sehr gerne an. Auch wenn sie manchmal mit zusätzlichen Kosten und fast immer mit erhöhtem Zeitaufwand verbunden sind, genieße ich doch den direkten Austausch, der sich bei diesen Gelegenheiten ergibt. So war ich dieses Jahr mit einer Exkursion (https://leadership-berlin.de/blog/2022/09/26/leadership-exkursion-nach-poznan-2) von Leadership Berlin Netzwerk Verantwortung e.V. in Poznan, einer Universitäts- und Wirtschafts-Metropole in unserem Nachbarland Polen. Diese Reise wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, weil ich in zwei Tagen und bei zwei etwas längeren Zugfahrten mit mehr als zwanzig Menschen ins Gespräch kam, die ich anders wohl niemals getroffen hätte. Neben den deutschen Exkursionsteilnehmer:innen waren es besonders die polnischen Gesprächspartner aus unterschiedlichsten Organisationen, durch deren Aufgeschlossenheit und Offenheit ich viele Inspirationen mitnehmen konnte. Ob im Deutsch-Polnischen Wirtschaftskreis Poznan, beim Stadtpräsidenten von Poznan oder im Karriere-Förderzentrum der Adam Mickiewicz Universität und in zahlreichen anderen Diskussionsrunden war der Austausch über die alltäglichen Herausforderungen intensiv, ehrlich und – das war für mich besonders wertvoll – optimistisch. Für diese Erfahrung aus 2022 bin ich allen Beteiligten sehr dankbar.
Beeindruckt bin ich immer noch von einer kurzen Vortragsreise...
…zu einem wissenschaftlichen Institut im Saarland. Dort hatte mich die Institutsleitung beauftragt, meinen Vortrag zum Umgang mit Macht gleich zwei Mal zu halten: ein Mal für die Führungskräfte und ein zweites Mal für alle interessierten Mitarbeiter aus den Bereichen Wissenschaft UND Verwaltung. Der Hintergrund: Jede und Jeder sollten ermutigt werden, ihre eigene Macht zu erkennen. Der Institutsleitung ging es darum, eine neue Qualität der Zusammenarbeit zu fördern. Denn wer sich aus eigenem Antrieb in die Kooperation zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben einbringen kann, arbeitet nicht nur engagierter, sondern auch freudvoller, als wenn bloße Hierarchie regiert. Natürlich ging es dabei auch um den Machtmissbrauch von oben und unten, zum Beispiel durch passiven Widerstand. Das Feedback nach den Vorträgen hat alle vorausgegangenen Anstrengungen bei der Abstimmung, der Vorbereitung, der Anreise und die Anspannung während der Veranstaltungen haushoch gerechtfertigt. Denn für einen Vortrag von etwa 2 Stunden wende ich gewöhnlich 16 bis 18 Stunden Arbeit auf, ohne Reisezeiten und jedes Mal. Schließlich ist jedes Auditorium besonders und verdient meine volle Leistung.
Eine von vielen interessanten Initiativen konnte ich direkt kennenlernen, weil ich für eine erkrankte Kollegin eingesprungen bin: Praktisch über Nacht fand ich mich in einem Workshop für Frauen aufs Podium (https://frauenaufspodium.org) wieder. Das war eine besonders lebhafte Diskussion, weil es hier um das Engagement von Frauen in der Kommunal- und Regional-Politik ging. Bekommen wir in diesem Bereich langsam mehr Geschlechter-Gerechtigkeit, oder doch nicht? Wir haben uns gegenseitig ermutigt….
Auch das erlebe ich nahezu täglich:
Kürzlich hat mich wieder einmal ein Trainer-Kollege erstaunt. Unter dem Titel “Meuterei im Sport” schreibt Ruedi Zahner (http://www.ruedizahner.com) in seinem Newsletter über den Machtmissbrauch von unten, der vor allem aus der Geringschätzung von fremder Leistung und der Ablehnung eigener Verantwortung resultiert. Auch andere Trainer:innen und Berater:innen, deren Newsletter oder Blogs ich regelmäßig lese, werden immer wieder mit diesem Problem konfrontiert. Dabei dachte ich bisher, dass gerade im Sport die Rolle der Trainer schon wertgeschätzt wird, weil ohne sie gar nichts geht. Jetzt weiß ich es besser, es scheint ein eher alltägliches Problem zu sein, an dem noch intensiv zu arbeiten ist.
Von Zeit zu Zeit schaue ich auf meine früheren Leistungen zurück, weil ich von Interessent:innen darauf angesprochen werde. Manches ist bis heute aktuell, anderes nicht mehr. Erinnert wurde ich vor kurzem an einen Vortrag, der schon etwas länger kostenfrei auf YouTube zu sehen ist. Es geht darin um die Frage, warum manche Führungskräfte ihren Job immer wieder schnell verlieren und andere nicht, um die Frage: unersetzbar oder unverzichtbar sein? Und welche Rolle spielen dabei Krisen?
Und schließlich, auch das ist alltäglich, gibt es wieder ein Ende:
Mein Angebot für eine regelmäßige geschlossenen und vertrauliche Gesprächsrunde GANZ UNTER UNS endet zum 31.12.2022. Das Angebot fand keine Resonanz. Warum sich nach dem ersten Auftakt keine wirklich Runde fand, hat sicher mehrere Gründe. Eventuell gab es viel zu viele online-Angebote, vielleicht aber war es auch Angst oder Scham? Ich werde es vielleicht nicht erfahren, aber auch im nächsten Jahr werde ich natürlich wie bisher ganz unter uns Gespräche mit vielen verschiedenen Führungskräften führen – Gespräche ohne Gruppe, aber ebenso vertraulich und vertrauensvoll, offen, direkt und ermutigend. Sie sind eingeladen!
Auf einen guten Start in das Neue Jahr 2023!
Ihre Karin Rasmussen